Lebensschutz in Rheinland-Pfalz

Wahlprüfsteine 2017 - Antworten von Tabea Rößner

Tabea Rößner kandidiert für B90/Grüne im Wahlkreis 205 (Mainz). Nachfolgend sind die Antworten auf die Wahlprüfsteine zum Lebensschutz für die Bundestagswahl 2017 wiedergegeben. Hierbei gab es die Möglichkeit, entweder eine Antwort aus den vorgegebenen Optionen zu wählen oder eine eigene Stellungnahme zu formulieren.

Beginn des menschlichen Lebens und Anerkennung der Menschenwürde

Der Mensch mit seiner Würde und seiner Freiheit steht für mich und auch die Politik meiner Fraktion im Mittelpunkt. Die Unantastbarkeit der menschlichen Würde ist unser Ausgangspunkt. Der Zeitpunkt, ab wann ein Embryo den Schutz von Art. 1 GG genießt, ist rechtlich umstritten und vom BVerfG nicht abschließend geklärt; die juristisch herrschende Meinung geht allerdings davon aus, dass der Schutz bereits vor der Geburt greift, je nach Entwicklungsstufe in schwächerer Form.

Gesetzliche Regelung des Schwangerschaftsabbruchs

Die momentane Regelung des Schwangerschaftsabbruchs ist ein praktikabler Kompromiss der unterschiedlichen gesellschaftlichen Strömungen. Eine Änderung dieser Regelung steht momentan nicht auf der politischen Agenda. Es war ein mühsamer Weg bis zur momentanen Regelung, bei der die Rechte aller, die sozialen Umstände sowie die gesundheitliche und psychische Verfasstheit der Frau berücksichtigt werden sollen. Diese Regelung genießt einen breiten gesellschaftlichen Konsens, und es gab bisher keine gesetzgeberischen Initiativen, diesen Konsens wieder aufzukündigen. Restriktive Regelungen haben zu keiner Zeit geholfen, werdendes Leben vor einem Abbruch der Schwangerschaft zu schützen. Stattdessen brachten sie viele Frauen in entwürdigende und lebensgefährliche Situationen. Nicht Abschreckung, sondern freiwillige, qualifizierte und ergebnisoffene Beratung ist geeignet, die Frauen bei ihrer Entscheidung zu unterstützen und ihnen in schwierigen Situationen zur Seite zu stehen.

Finanzierung des Schwangerschaftsabbruchs

Abtreibungen nach der Beratungsregelung sollten nur in finanziellen Notlagen von der Allgemeinheit übernommen werden. Für eine Feststellung der Bedürftigkeit ist eine Erklärung der Leistungsempfängerin gegenüber der Krankenkasse ausreichend. Für mich sind finanzielle Restriktionen kein geeignetes Mittel, die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche zu senken. Noch weniger sollten sie dazu dienen, Frauen für ihre Entscheidung zu sanktionieren. Ich finde, es ist eine sinnvolle Lösung, einen Schwangerschaftsabbruch aus Steuermitteln bei Bedürftigkeit zu finanzieren und Frauen in ihrer selbstbestimmten Entscheidung zu unterstützen. Für mich und meine Fraktion ist es aber auch wichtig, dass Menschen mit geringem Einkommen Verhütungsmittel unentgeltlich erhalten können. Das ist aber derzeit nicht flächendeckend gewährleistet und den Betroffenen noch zu wenig bekannt. Wir Grünen setzten uns dafür ein, dass dies verbessert wird.

„Pille danach“

Für mich sind Selbstbestimmung und der gesicherte Zugang zur Familienplanung wesentliche Bereiche der sexuellen und reproduktiven Rechte. Dazu gehört auch der niedrigschwellige Zugang zum Notfallverhütungsmittel „Pille danach“. Der Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht (§53 Absatz 2 Arzneimittelgesetz) hat im Januar 2014 wiederholt festgestellt, dass es unter Arzneimittelsicherheitsaspekten keinen Grund gibt, die „Pille danach“ mit dem Wirkstoff Levonorgestrel in der Verschreibungspflicht zu belassen. Dies deckt sich mit den Studien der Weltgesundheitsorganisation, Empfehlungen des Europarates sowie den positiven Erfahrungen aus dem Ausland. In nahezu allen europäischen Ländern ist die „Pille danach“ mit dem Wirkstoff Levonorgestrel rezeptfrei erhältlich. Dies zeigt, dass es keine sachlichen Gründe gibt, die Abgabe der „Pille danach“ weiter verschreibungspflichtig zu lassen. Die Anfang 2015 getroffene Entscheidung der EU-Kommission, die „Pille danach“ mit dem Wirkstoff Ulipristalacetat europaweit aus der Verschreibungspflicht zu entlassen, zwingt Deutschland nun, dies in nationales Recht umzusetzen. Zusammen mit meiner Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN habe ich dies schon mehrfach (zuletzt s. BT-Ds. 18/3834) gefordert. Nach jahrelanger Diskussion und politischen Bedenken vor allem auf Seiten der Union wurde Levonorgestrel zum 14. März 2015 endlich rezeptfrei. Der genaue Wirkungsmechanismus der Wirkstoffe ist nicht vollständig geklärt. Als Hauptwirkung der Pille danach wird in der medizinischen Fachliteratur die Verhinderung oder Verzögerung des Eisprungs angegeben. Neben der Wirkung auf den Eisprung wurde experimentell eine Verminderung der Beweglichkeit und Funktionsfähigkeit von Spermien durch die Wirkstoffe festgestellt. Ob Levonorgestrel die Einnistung (Nidation) befruchteter Eizellen in die Gebärmutterschleimhaut hemmt, ist wissenschaftlich umstritten. Wissenschaftlich gesichert ist hingegen, dass Levonorgestrel wirkungslos ist, wenn sich die befruchtete Eizelle bereits in der Gebärmutterschleimhaut eingenistet hat.

Forschung mit menschlichen embryonalen Stammzellen

Die Forschung an embryonalen Stammzellen hat bislang kaum Erfolge gezeigt und befindet sich weiter im Stadium der Grundlagenforschung. Ich lehne daher – gemeinsam mit meiner Fraktion - die verbrauchende Embryonenforschung ab und denke, dass das Potential induzierter pluripotenter Stammzellen (iPS) als mögliche Alternative zur Verwendung embryonaler Stammzellen stärker in den Fokus genommen werden sollte.

Reproduktives Klonen von Menschen

In Übereinstimmung mit der derzeitigen deutschen Rechtslage befürworte ich zusammen mit meiner Fraktion ein umfassendes Klonverbot.

Anwendung der Präimplantationsdiagnostik

Die Diskussion um die Präimplantationsdiagnostik (PID) verlief jenseits der Fraktionsgrenzen. Ich habe damals für den mehrheitlich abgestimmten Gesetzentwurf gestimmt, da ich der festen Überzeugung bin, dass eine in Ausnahmefällen erlaubte PID viel Leid verhindern oder zumindest reduzieren kann. Eltern, die eine PID durchführen lassen wollen, machen es sich nicht leicht. Oft haben sie schon einen langen leidvollen Weg hinter sich. Gerade für Frauen ist der Prozess körperlich und seelisch sehr belastend. Wer den schweren Weg einer künstlichen Befruchtung auf sich nimmt, macht es sich auch nicht einfach mit der Entscheidung, sondern trifft sie genau so sorgfältig, abwägend und gewissenhaft, wie wir Abgeordnete über diese Frage beraten haben. Die PID soll Frauen eine informierte Entscheidung für ein lebensfähiges und gesundes Kind ermöglichen. Sie ist die Voraussetzung dafür, dass die Frau entscheiden kann, ob eine Schwangerschaft eingeleitet werden soll oder nicht. Ein vollständiges Verbot der PID würde einer Frau eine wichtige Erkenntnis vorenthalten – das verletzt meines Erachtens Frauen in ihrer Würde und in ihrem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit. Mir ist es auch wichtig, dass wir keinen „Katalog“ an Krankheiten entwickeln, nach denen eine PID möglich sein sollte. Menschliche Schicksale können meines Erachtens nicht in einem Gesetzentwurf festgeschrieben werden, deshalb brauchen wir ein Instrument, das eine individuelle Entscheidung ermöglicht. Bei dem von mir unterstützten Antrag wurde eine interdisziplinäre Ethikkommission eingesetzt werden, die jeden Fall einzeln prüft und ihre Zustimmung geben muss. Dies halte ich für eine sinnvollere Lösung, als im Vorhinein Kategorien festzulegen, nach denen eine PID durchgeführt werden kann. Gleichzeitig sollte nicht der Eindruck erweckt werden, man könnte durch die Ermöglichung der PID Behinderungen generell verhindern. Wir werden in unserer Gesellschaft auch weiterhin mit Menschen mit Behinderung zusammenleben. Bei den meisten Menschen tritt die Behinderung während oder nach der Geburt auf. Auf Menschen mit einer Behinderung zu treffen, ist alltäglich und wird es auch immer bleiben. Es ist unsere Aufgabe, existierende Barrieren abzubauen, allen Menschen ein unbehindertes Leben zu ermöglichen und Inklusion in unserer Gesellschaft zur Normalität werden zu lassen.

Pränatale Bluttests bei Schwangeren

Pränatale Bluttests bedeuten eine Selektion kranker und behinderter Menschen, sie können aber auch Eltern helfen, ein gesundes Kind zu bekommen. Ihre Anwendung sollte daher weiterhin zulässig sein, die Kosten sollten aber nicht von den Krankenkassen übernommen werden. Der pränatalen Bluttests als nicht-invasive Verfahren stellt für Risikoschwangere eine Alternative zum sog. Ersttrimester-Screening und den darauf ggf. folgenden invasiven Verfahren dar, welche im ungünstigsten Fall zur Schädigung des Fötus oder zu einer Fehlgeburt führen können. Auch wenn die Hersteller angeben, dass das Testergebnis immer durch ein solches invasives Verfahren abgesichert werden müsse, ist unbekannt, ob dies in der Praxis auch stattfindet. Der Test kann schon in einem sehr frühen Stadium der Schwangerschaft durchgeführt werden, so dass den betroffenen Frauen theoretisch die Möglichkeit eines Schwangerschaftsabbruchs im Rahmen der Fristenlösung offensteht. Hier muss gewährleistet sein, dass die Frauen/Paare vor einer solchen Entscheidung ausreichend über die mögliche Erkrankung/Behinderung ihres Kindes, deren Behandelbarkeit sowie die Möglichkeit einer Fehldiagnose (falsch-positives Testergebnis) informiert werden. Eine Kostenübernahme sollte in Ausnahmefällen möglich sein.

Gesetzliche Regelung der Patientenverfügung

Nachdem in dieser Frage jahrelang Rechtsunsicherheit herrschte, haben erst die gesetzlichen Regelungen zur Patientenverfügung von 2009 die rechtliche Verbindlichkeit solcher Verfügungen gesetzlich festgeschrieben. Allerdings zeigen sich bei der Umsetzung der Vorschriften in der Praxis bisweilen erhebliche Probleme. Zum einen sind nach der Regelung auch mündliche oder mutmaßliche Willensäußerung des Betroffenen verbindlich, die aber oft nicht sicher zu ermitteln oder zwischen den Angehörigen umstritten sind. Zum anderen ist vor Erstellung der Patientenverfügung keine Beratung vorgeschrieben, so dass die Verfügungen häufig ohne medizinisches Hintergrundwissen erstellt werden. In der konkreten Anwendung haben die jeweiligen ÄrztInnen dann häufig Probleme, die Verfügungen auf die konkrete Behandlungssituation anzuwenden. Auch beim Verhältnis von Patientenverfügung und Organspendeerklärung gibt es Unsicherheiten und ungeklärte Widersprüche. Ob die Regelung von 2009 vom Gesetzgeber noch mal nachgebessert werden wird, lässt sich momentan nicht absehen. Diese Regelung war damals auch innerhalb meiner Bundestagsfraktion umstritten. Einig waren sich alle Abgeordneten allerdings darin, dass der Wille der/des Betroffenen beachtet wird und Leitlinie aller Therapieentscheidungen sein muss.

Beihilfe zum Suizid

"Tabea, besorg mir doch bitte eine Pille, damit ich endlich sterben kann." An diese Worte meiner todkranken 98jährigen Freundin, die ich bis zu ihrem Tod Zuhause pflegte, musste ich sehr oft denken, als wir über Regelungen für den assistierten Suizid im Parlament diskutieren. Sterbehilfe ist ein hochsensibles Thema, da es in das Lebensrecht des Menschen eingreift. Auch wenn es generell darum geht, Leben zu schützen, steht dem Lebensrecht des Menschen die Freiheit zur Selbstbestimmung gegenüber. Diese beinhaltet auch die Freiheit, dem eigenen Leben ein Ende zu setzen. Solche Entscheidungen sollen nicht gefördert werden, aber ich achte und respektiere diese Entscheidung, wenn sie autonom und frei von Einflüssen Dritter getroffen wird. Deshalb ist weder der Suizid noch die Beihilfe hierzu unter Strafe gestellt, was ich richtig finde. Darüber hinaus müssen wir mehr dafür tun, unerträgliche Schmerzen zu lindern und ein menschenwürdiges Lebensende zu ermöglichen. Dazu gehören vor allem die Stärkung der Palliativmedizin und der Hospizbewegung und deren Angebote bekannter zu machen. Anfang November haben wir in dritter Lesung im Deutschen Bundestag über die verschiedenen Gruppenanträge debattiert. Einige Abgeordnete waren der Ansicht, die Hilfe zur Selbsttötung ganz oder zumindest größtenteils verbieten zu müssen. Ich persönlich teile diese Meinung nicht, sondern vertrete mit anderen die Position, dass es mehr Fürsorge statt mehr Strafrecht braucht. Deswegen hatte ich ursprünglich einen Gesetzentwurf unterstützt, der die Rechtslage im Wesentlichen so belässt, wie sie derzeit ist: Die Hilfe zur Selbsttötung bleibt straffrei. Zudem sollte Rechtssicherheit für Ärztinnen und Ärzte geschaffen werden. Gewerbsmäßige Hilfe – also die Kommerzialisierung solcher Hilfsangebote – sollte aber unterbunden werden, weil mit Hilfe in der Not kein Profit gemacht werden darf. Nach Prüfung aller Stellungnahmen und Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes bin ich zum Ergebnis gekommen, dass ich keinem der Gesetzentwürfe zustimmen konnte. Eine klare Abgrenzung zwischen der Tätigkeit von Ärzten und geschäfts- oder gewerbsmäßiger Tätigkeit ist kaum möglich. Der damals beschlossene Gesetzentwurf hat leider dazu geführt, dass mehr Rechtsunsicherheit herrscht und sich häufig die Gerichte damit befassen müssen. Das bedauere ich.

Aktive Sterbehilfe

Aktive Sterbehilfe sollte unter strengen Auflagen auch in Deutschland zugelassen werden. Dieses Thema war bislang noch nicht Gegenstand von parlamentarischen Initiativen. Die Befürwortung der aktiven Sterbehilfe muss im Zusammenhang mit der öffentlichen Diskussion über Missstände in unserem Gesundheits- und Pflegesystem gesehen werden, die bei manchen die Angst vor einem fremdbestimmten und von ihnen selbst als unwürdig empfundenen Sterben fördert. Unabhängig von Verbotsfragen ist für mich wichtig, dass noch mehr unternommen wird, Menschen über Behandlungsmöglichkeit am Ende des Lebens aufzuklären und so die Angst vor unerträglichen Schmerzen und vor einem qualvollen Tod zu nehmen. Dazu gehören eine Stärkung der Palliativmedizin und der Hospizbewegung und deren Angebote noch bekannter zu machen.

Organentnahme von toten Spendern

Die existierende Entscheidungslösung ist der richtige Weg, um die Organspendebereitschaft zu erhöhen und sollte beibehalten werden. Ich selbst habe einen Organspendeausweis, und ich werbe auch dafür, sich zur Organspende zu erklären und einen Spenderausweis auszufüllen. Verpflichtend ist eine solche Erklärung allerdings nicht. Meine Bundestagsfraktion hat bei der Erarbeitung des Gesetzentwurfes maßgeblich dazu beigetragen, dass eine solche Erklärung weiterhin freiwillig bleibt und dass die Aufklärung über die Organspende ergebnisoffen gestaltet sein muss. Ich bedauere, dass es in der Praxis nicht immer so ist und viele Organspendekampagnen immer noch tendenziell pro Spende ausgelegt sind. Ihre Wirksamkeit ist allerdings begrenzt: nicht nur die Zahl der Spender, sondern auch die Zahl der Menschen, die einen Organspendeausweis besitzen, ging in den letzten Jahren zurück. Dazu beigetragen haben auch die Skandale über Manipulationen in Transplantationszentren, die regelmäßig aufgedeckt werden und die auch nach der letzten Reform des Transplantationsgesetzes nicht aufgehört haben. Wir Grüne befürworten eine größere Transparenz des Organspendeprozesses, auch durch Veränderungen der Strukturen (BT-Ds. 17/11308).

Leihmutterschaft

Die Leihmutterschaft bzw. ihre Zulassung in Deutschland ist in der vergangen Wahlperiode im Deutschen Bundestag kein Thema gewesen. Aus meiner Sicht und der meiner Fraktion gibt es momentan keinen Grund, weshalb das bestehende Verbot in der nächsten Wahlperiode in Frage gestellt werden sollte. Leihmütter sind im Rahmen dieser Schwangerschaften und den ihnen vorausgehenden künstlichen Befruchtungen erheblichen medizinischen Risiken ausgesetzt. In Entwicklungsländern finden solche Schwangerschaften oft unter Ausnutzung der wirtschaftlichen Not der betroffenen Frauen statt, die damit den Lebensunterhalt ihrer eigenen Familien sicherstellen wollen.