Lebensschutz in Rheinland-Pfalz

Wahlprüfsteine 2013 - Antworten von Alexander Ulrich

Herr Ulrich kandidiert für die Linke im Wahlkreis 210 (Kaiserslautern). Nachfolgend sind seine Antworten auf die Wahlprüfsteine zum Lebensschutz für die Bundestagswahl 2013 wiedergegeben. Hierbei gab es die Möglichkeit, entweder eine Antwort aus den vorgegebenen Optionen zu wählen oder eine eigene Stellungnahme zu formulieren.

Beginn des menschlichen Lebens und Anerkennung der Menschenwürde

Die Frage, wann die Menschwerdung beginnt, ist keine politische Frage, sondern eine Frage der Metaphysik. Aufgabe der Politik ist es, gesetzliche Klarheit zwischen widerstreitenden Zielen herzustellen: also dem Schutz ungeborenen Lebens auf der einen Seite und dem Menschenrecht auf sexuelle und reproduktive Selbstbestimmung auf der anderen Seite. Ich kann deshalb keine der vorgeschlagenen Alternativen ankreuzen.

„Pille danach“

Auch hier kann ich keine der Alternativen ankreuzen. Aus unserer Sicht ist die „Pille danach“ kein Verhütungsmittel für die regelmäßige Verhütung und wird auch so nicht eingesetzt bzw. behandelt. Sie ist ein Notfallschutz bei ungeschütztem Geschlechtsverkehr. Medizinisch gibt es keinen Grund für die Rezeptpflicht. Neben der WHO hat auch der Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) empfohlen, die „Pille danach“ aus der Rezeptpflicht zu entlassen. Die Einnahme ist sicher, auch eine schädigende Wirkung bei einer bereits bestehenden Schwangerschaft gibt es laut WHO nicht. Gerade für junge Frauen sowie für Mädchen und Frauen im ländlichen Raum stellt die Rezeptpflicht eine hohe Hürde dar. Sie stoßen vor allem am Wochenende auf erhebliche Schwierigkeiten, ein Rezept für die „Pille danach“ zu bekommen. Oft sind sie auf Rettungsstellen von Krankenhäusern angewiesen, doch in vielen konfessionellen Krankenhäusern ist es den Ärztinnen und Ärzten untersagt, diese Rezepte auszustellen. Bei einem Notfallpräparat wie der „Pille danach“ ist aber schnellstmögliche Einnahme notwendig, denn sie kann eine Schwangerschaft nur verhindern, wenn sie rechtzeitig nach einem ungeschützten Geschlechtsverkehr eingenommen wird.
Die Verschreibungspflicht baut darum unnötige Hemmnisse beim Erwerb der „Pille danach“ auf und läuft einem rationalen Gebrauch entgegen. Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen, dass entgegen den Befürchtungen einiger Kritiker und Kritikerinnen der Gebrauch regelmäßiger Verhütungsmittel nicht sank, nachdem die „Pille danach“ rezeptfrei erhältlich war. Weder ein Anstieg von sexuell übertragbaren Krankheiten noch von riskantem Sexualverhalten konnten beobachtet werden. Studien aus anderen Staaten zeigen, dass die Einnahme der „Pille danach“ auch ohne ärztliche Begleitung korrekt erfolgt. Außerdem bedeutet die Entlassung aus der Verschreibungspflicht keine Freiverkäuflichkeit. Die Apothekenpflicht bliebe erhalten und damit eine Möglichkeit, durch fachkundige Beratung einen sachgerechten Umgang mit dem Arzneimittel zu gewährleisten.

Momentane gesetzliche Regelung des Schwangerschaftsabbruchs

DIE LINKE fordert das Selbstbestimmungsrecht der Frau über ihre Lebensweise, ihre Sexualität und ihren Körper. Das heißt, dass jede schwangere Frau das Recht hat, allein und ohne staatliche Bevormundung oder Belehrungsversuche über sich und ihren Körper zu entscheiden. Gesprächs- und Mitwirkungsbereitschaft der schwangeren Frau dürfen nicht faktisch erzwungen werden Wir fordern den Straftatbestand der Abtreibung in den Paragraphen 218 und 219 des Strafgesetzbuches ersatzlos zu streichen, es sei denn eine Abtreibung wird gegen den Willen der Schwangeren vorgenommen.
Frauen bzw. Paare brauchen in einer solch schwierigen Ausnahmesituation umfassende Beratungs- und Unterstützungsangebote statt staatlicher Gängelung. Die Verpflichtung der Ärztinnen und Ärzte zur Beratung ihrer Patientinnen vor einem Schwangerschaftsabbruch über die Bedeutung des Eingriffs, insbesondere seinen Ablauf, die Folgen, Risiken, mögliche physische und psychische Auswirkungen besteht ohnehin im Rahmen des medizinischen Aufklärungsgesprächs vor einem operativen Eingriff. Der Gesetzgeber muss sichere und legale Rahmenbedingungen schaffen. Dazu gehört für uns erstens die Durchsetzung des Rechtsanspruchs jeder Schwangeren auf medizinische und psychosoziale Beratung. Diese muss umfassend, vertrauensvoll und ergebnisoffen sein; das gilt für jede Phase der Schwangerschaft. Zweitens brauchen wir die Sensibilisierung und Qualifizierung von Ärztinnen und Ärzten sowie dem Klinikpersonal für Schwangerschaftskonfliktlagen, insbesondere vor und nach der Diagnosestellung.
Darüber hinaus müssen wir in Zusammenarbeit mit den Ländern die Rahmenbedingungen für Kinder mit Handicap und ihre Eltern deutlich verbessern. Weiterhin fordern wir eine wirkungsvolle und vollumfängliche Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen. Das sind für uns unverzichtbare Bestandteile einer wirklichen Lösung von Schwangerschaftskonflikten. Dazu ist es notwendig, dass Ärztinnen und Ärzte, Krankenhauspersonal und Hebammen spezifische Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen wahrnehmen können, um eine umfassende Beratung zu gewährleisten.

Forschung mit embryonalen Stammzellen

Gegen die Stammzellenforschung spricht aus meiner Sicht:

Argumente für die Stammzellenforschung kommen meist aus einer marktwirtschaftlich orientierten Ecke:

Reproduktives Klonen

Reproduktives Klonen muss verboten bleiben.

Umsetzung der Präimplantationsdiagnostik (PID)

Die Diskussion über die Präimplantationsdiagnostik (PID) wurde 2012 partei- sowie fraktionsübergreifend sehr kontrovers geführt. Es wurden fraktionsübergreifende Anträge entwickelt und es gab in jeder Partei/Fraktion sehr unterschiedliche Auffassungen. So auch bei der LINKEN: Hier fanden sich Gegner der PID, die diese gar nicht zulassen wollten. Es fanden sich aber auch Abgeordnete, die die PID unter bestimmten Bedingungen freigeben wollten.

Praena-Bluttest bei Schwangeren auf Trisomie 21 (Down-Syndrom)

Der Praena-Test bedeutet eine Selektion kranker und behinderter Menschen und stellt eine Teilbarkeit der Menschenwürde dar. Er sollte daher verboten werden.

Gesetzliche Regelung der Patientenverfügung (PV)

Die Fraktion DIE LINKE hat sich für eine abschließende gesetzliche Regelung der Patientenverfügung im Betreuungsrecht stark gemacht. Danach sind Patientenverfügungen unabhängig von Art und Stadium der Erkrankung immer verbindlich. Das Selbstbestimmungsrecht der Betreuten steht im Vordergrund, die Betreuer sollen demzufolge dem Willen der Patientin oder der Patientin immer Ausdruck und Geltung verschaffen. Der Wille des Patientinnen und Patienten hat Vorrang, der Einfluss der Gerichte wird nur auf wenige Streitfälle beschränkt.
Das heißt aber nicht, dass wir keinen Handlungsbedarf mehr sehen (vor allem auch im Hinblick auf Organspende und Transplantation). Würde und Freiheit des Individuums, das Recht auf Selbstbestimmung über den eigenen Körper, aber auch der Schutz Hilfebedürftiger sind die Werte, die für DIE LINKE zählen. Der Respekt vor den individuellen Entscheidungen steht über den Krankheits- und Sterbephasen. Wichtig ist, dass die gesetzliche Verankerung angesichts des Kostendrucks im Gesundheitssystem nicht dazu benutzt wird, dass schutzbedürftige Menschen nicht mehr behandelt werden.

Beihilfe zum Suizid

Die jetzige Regelung, Suizidbeihilfe nicht zu verfolgen, sollte beibehalten werden. Auch bei guter palliativmedizinischer Versorgung von Sterbenden ist ein Suizid nicht immer zu verhindern, zu vielfältig sind die Lebenssituationen jedes und jeder Einzelnen. Er gehört zum Selbstbestimmungsrecht eines jeden Menschen. Wir sind der Auffassung, dass der assistierte Suizid in Deutschland weiterhin straflos bleiben muss. Zu unüberschaubar ist das Spannungsfeld zwischen dem Selbstbestimmungsrecht von Tod- und Schwerstkranken und der staatlichen Pflicht zum Schutz des menschlichen Lebens. Die Grenzen sind hier nicht fest zu ziehen und auch nicht einfach aufzulösen.
Allerdings haben von der Regierung der Niederlande in Auftrag gegebene Studien zur aktiven Sterbehilfe mehrfach gezeigt, dass in den Niederlanden nicht nur Menschen durch die Einwirkung Dritter sterben, die danach verlangt hatten, sondern jedes Jahr auch einige Hundert, die nicht darum gebeten hatten. Nach ärztlicher Einschätzung konnte keine Besserung ihres Zustandes mehr erzielt werden bzw. medizinische wurden Maßnahmen für sinnlos erachtet, ihre Lebensqualität als gering eingeschätzt wurde oder ihre Angehörigen hatten darum gebeten.
Menschen wollen sterben, weil sie einsam sind, keine Hilfen bekommen, ihren Angehörigen nicht zur Last fallen wollen, Schmerzen haben. Dies sind alles Problemfelder, auf die spezifisch und wirksam reagiert werden könnte, die aber in den Hintergrund gerückt sind. Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang, dass der Ausbau der palliativmedizinischen Versorgung nur schleppend vorankommt. Eine gute Versorgung verbunden mit bedarfsgerechter ambulanter Unterstützung könnte bei Vielen die Entscheidung für den vermeintlich einzigen Ausweg, sterben zu wollen, verändern.

Aktive Sterbehilfe

Gegenwärtig darf aktive Sterbehilfe weder von Ärzten noch von privaten Organisationen angeboten oder ausgeübt werden. Menschen mit unheilbaren Krankheiten haben ein Recht auf bestmögliche Versorgung. Wir wollen, dass bis zum Lebensende alles getan wird, um Sterbenskranken zu helfen. Nach Auffassung der LINKEN ist es Aufgabe des Gesundheitssystems, die Gesundheit jedes Einzelnen zu erhalten, Leiden zu verhindern, Schmerzen zu lindern, Menschen am Lebensende zu begleiten sowie beizustehen und nicht, ihr Leben aktiv zu beenden. DIE LINKE plädiert nachdrücklich für einen Ausbau der Palliativmedizin und eine bedarfsgerecht ausgestaltete Pflegeversicherung. Unser Ziel ist ein Leistungskatalog, der verbesserte ambulante wie stationäre Angebote zur Behandlung Schwerstkranker umfasst. Dabei stehen die die Linderung der Schmerzen und anderer Krankheitsbeschwerden im Vordergrund, um Tod- und Schwerstkranken ein Lebensende in Würde zu ermöglichen und ihnen menschliche Zuwendung und Geborgenheit zu geben. In diesem Zusammenhang fordern wir weitere strukturelle, finanzielle und mediale Unterstützung für die Hospizbewegung. Ein humanes Sterben in einem Umfeld der Sorge und Fürsorge gehört zu einem menschenwürdigen und lebenswerten Leben. Das für alle Menschen möglich zu machen, ist Aufgabe der Politik.

Organentnahme von toten Spendern

Bereitschaft zur Organspende in der Bevölkerung hängt stark vom Vertrauen in das Gesundheitssystem und in den Prozess von Organspende und Transplantation ab. Eine zwingende Voraussetzung ist größtmögliche Transparenz und demokratische Kontrolle. Zentrale Fragen der Organzuteilung, wie Kriterien der Wartelisten und die praktische Verteilung der Organe, bei denen es um Fragen von Leben und Tod geht, gehören in die Hände des Gesetzgebers. Wir fordern eine Änderung der Rechtsform der beteiligten Institutionen, die bisher privat organisiert sind, die Schaffung einer Fachaufsicht und Ausweitung der Kontrollen und Stichproben in den Transplantationszentren. Weiterhin will DIE LINKE ein umfassendes Transplantationsregister, also ein Verzeichnis, in dem alle Organtransplantationen, aber auch die Überlebenszeiten der Empfänger und mögliche Fehler der Transplantateure festgehalten werden. Wir brauchen dringend ein unabhängiges Kontroll- und Prüfsystem. Solange die Prüf- und Überwachungskommissionen bei der Bundesärztekammer angesiedelt sind und selbst der Bundestag keine Einsicht in die Prüfprotokolle bekommt, gibt dies eher Anlass zu Misstrauen in der Öffentlichkeit.

Gottesbezug im Grundgesetz und einer zukünftigen europäischen Verfassung

Europa ist eine pluralistische Gemeinschaft, welche nicht mehr überwiegend christlich geprägt ist, daher ist ein Bezug auf den christlichen Gott nicht notwendig. Ein Gottesbezug – auch im deutschen Grundgesetz – ist nicht mehr zeitgemäß. Er sollte gestrichen werden. Laut Präambel des Grundgesetzes hat sich das deutsche Volk seine Verfassung in Verantwortung vor Gott gegeben. Dieser Verantwortung dürfe kein Gesetz widersprechen. Angesichts unserer kulturell und religiös vielfältigen Gesellschaft, deren Vielfältigkeit stetig wächst, stellt sich die Frage, wessen Gott gemeint ist und ob diese Verpflichtung vor Gott dem Verständnis unserer Gesellschaft – in der es viele Gläubige verschiedener Religionen sowie einen großen Teil nicht gläubiger Menschen gibt – entspricht. Vor diesem Hintergrund begreifen wir den direkten Bezug auf Gott – der noch heute allgemein als ein christlicher Gott verstanden wird – in unserer Verfassung als nicht mehr zeitgemäß. Vielmehr erschwert dieser das friedliche Zusammenleben aller in einer multireligiösen Gesellschaft wie unserer.
Die Partei DIE LINKE tritt für eine konsequente Trennung von Staat und Kirche ein. Dieser Konsequenz entsprechend dürfte Gott nicht in der Präambel des Grundgesetzes zu finden sein – Gott hätte hier allein Platz in den Herzen der Menschen.
Bei uns engagieren sich neben Christinnen und Christen auch Angehörige anderer Religionsgemeinschaften, genauso wie Atheistinnen und Atheisten. Wir betrachten diese unterschiedlichen weltanschaulichen und ethischen Ansätze als geistigen Reichtum unserer Partei: Ob nun Christin oder Atheistin – gemeinsam setzen sie sich für Ziele und Werte ein, die in den großen Religionen genauso ihre Wurzeln haben wie in den Ideen der Aufklärung und des Humanismus: Soziale Gerechtigkeit, Frieden, Nächstenliebe und Toleranz.