Lebensschutz in Rheinland-Pfalz

Interview mit Patrick Schnieder MdB zum Verbot der organisierte Suizidbeihilfe

Bild Patrick Schnieder Patrick Schnieder ist Mitglied des Deutschen Bundestages und Generalsekretär der CDU Rheinland-Pfalz. Der 46-jährige Eifeler ist seit 2009 Bundestagsabgeordneter. Als Fachpolitiker arbeitet er im Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur. Zu Fragen des Lebensschutzes hat er gegenüber "Lebensschutz in Rheinland-Pfalz" bereits mehrfach eine klare Position bezogen, beispielsweise hat er sich klar gegen die Einführung der Präimplantationsdiagnostik ausgesprochen. Auch beim Thema Suizidbeihilfe bezieht Patrick Schnieder eine eindeutige Stellung.

Warum diskutieren die Bundestagsabgeordneten derzeit über das Thema Sterbehilfe?

P. Schnieder: Wir stellen in Deutschland fest, dass die Anzahl an Vereinen und Unternehmen, die passive Sterbehilfe anbieten, zunimmt. Diese Organisationen bewegen sich in einer rechtlichen Grauzone. Sie unterstützen einen Sterbewilligen bei der Planung des Suizids, stellen Räumlichkeiten zur Verfügung und besorgen auch das tödliche Mittel, dass der Sterbewillige dann selbst einnimmt. Das ist bisher in Deutschland weder erlaubt noch verboten. Wir müssen also auf jeden Fall handeln und eine gesetzliche Regelung finden.
Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe hat die Diskussion jetzt wieder angestoßen. Meine Kolleginnen, Kollegen und ich haben uns darauf verständigt, dass es sich hier um ein Thema handelt, dass nicht einfach wie eine Steuergesetzgebung beraten werden kann. Das Ende des Lebens betrifft jeden Menschen. Wir wollen uns deshalb Zeit nehmen, eine breite Debatte führen und Argumente abseits der Fraktionszugehörigkeit diskutieren.

Wie stehen Sie zu diesem Thema, sprechen Sie sich für ein Verbot der organisierten Sterbehilfe aus?

P. Schnieder: Ich spreche mich ganz deutlich für ein Verbot der organisierten Sterbehilfe aus. Der Sterbewunsch eines alten oder kranken Menschen resultiert meistens aus einem langen Leidensweg, Einsamkeit im Alter oder auch Schmerzen. Unsere Reaktion auf diese Probleme kann keineswegs sein, dass wir Menschen lieber sterben lassen, als ihnen in ihrer Situation zu helfen. Wir brauchen eine stärkere Förderung der Hospiz- und Palliativmedizin und eine menschliche Pflege im Alter.
Ich glaube, dass wir als Gemeinschaft zueinander stehen müssen und füreinander da sein müssen. Das ist für mich Menschlichkeit. Es ist für mich die unmenschlichste Idee, wenn man jemanden, der verzweifelt ist, lieber beim Suizid unterstützt statt ihm zu helfen.

Warum gerade ein Verbot der organisierten Suizidbeihilfe, es wäre ja auch denkbar, nur die kommerzielle Beihilfe oder umfassend jede Form der Suizidbeihilfe zu verbieten?

P. Schnieder: Ein Verbot der kommerziellen Sterbehilfe greift aus meiner Sicht zu kurz. In diesem Fall würden nur Organisationen verboten, die aus dem Sterbewunsch eines Patienten Profit gewinnen. In der Tat ist das ein besonders perfides Geschäftsmodell, wenn man mit dem Suizidwunsch eines Menschen auch noch Gewinne machen will. Jedoch reicht aus meiner Sicht ein Verbot dieser Form der Suizidbeihilfe nicht aus. Ich sehe generell ein Problem, wenn wir organisierte Sterbehilfe, zum Beispiel durch Vereine zulassen. Niemand kann ausschließen, dass Menschen organisierte Sterbehilfe in Anspruch nehmen, obwohl ihnen medizinisch oder psychologisch anders geholfen werden könnte. Ich möchte nicht in einer Welt leben, in der ältere Mitbürger aus Einsamkeit oder aus emotionalem Druck Sterbehilfe in Anspruch nehmen, die der Staat auch noch legalisiert.
Anderseits sehe ich auch ein generelles Verbot jeder Sterbehilfe kritisch. Wenn Angehörige eines Sterbewilligen seinen tiefen Wunsch unterstützen, möchte ich diese Personen nicht auch noch bestrafen. Allein die Konfrontation mit diesem Wunsch ist derart existenziell, dass ich es für unmenschlich hielte, diese Angehörigen auch noch zu bestrafen. Gleichzeitig muss aber auch klar sein, wer seine Verwandten aus egoistischen Motiven zum Suizid drängt oder verleitet, der macht sich aus meiner Sicht schon strafbar.

Eine deutliche Mehrheit der Bevölkerung lehnt nach Ergebnissen von Umfragen ein Verbot der Suizidbeihilfe ab. Wie stehen Sie dazu?

P. Schnieder: Die Zahlen aus den Umfragen sind mir bekannt. Das scheint immer wieder sehr eindeutig. Meine Erfahrung zeigt aber anderes. Wenn ich über das Thema Suizidbeihilfe spreche oder schreibe, bekomme ich stets zahlreiche Rückmeldungen. Das Thema bewegt einfach jeden. Dabei fällt Folgendes auf: Die Begrifflichkeiten sind nicht immer ganz klar. Zum Beispiel ist es mir schon häufiger passiert, dass ich am Ende eines Gesprächs gar nicht mehr über Suizidbeihilfe gesprochen habe, sondern über bestehende Möglichkeiten der Patientenverfügung. Das zeigt mir immer wieder deutlich, dass wir diese Diskussion sehr breit anlegen müssen. Wir können uns hier nicht nur mit dem Thema Suizidbeihilfe auseinandersetzen, sondern wir müssen mit den Menschen darüber reden, welche rechtlichen und medizinischen Möglichkeiten sind eigentlich heute schon etabliert. Wichtig ist aus meiner Sicht auch, dass wir darüber sprechen, wo noch Handlungsbedarf besteht. Beispielsweise ist die zunehmende Ökonomisierung der Pflege ein gravierendes Problem. Weil viele davor Angst haben, im Alter nicht gepflegt, sondern verwaltet zu werden, sprechen Sie sich in Umfragen für Suizidbeihilfe aus. Die Probleme liegen also häufig auf anderen Ebenen und sind nicht unbedingt ein Grund für die Legalisierung der Sterbehilfe.

Wie sehen Sie das Argument einiger Sterbehilfebefürworter, dass eine Gesellschaft, welche über 100.000 Abtreibungen akzeptiert, kein Recht habe, ihren Mitgliedern die Erfüllung des eigenen Todeswunsches zu verwehren?

P. Schnieder: Schwangerschaftsabbrüche und Suizide kann man wohl kaum in einen Topf werfen. Auch wenn ich der Meinung bin, dass wir ebenfalls eine breite Diskussion über Abtreibungen führen sollten. Über 100.000 Schwangerschaftsabbrüche pro Jahr halte ich für zu hoch und wir müssen darüber nachdenken, wie wir diese Abbrüche verhindern können. Trotzdem hat das eine mit dem anderen nicht viel zu tun.

Herr Schnieder, vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview wurde von Stefan Grieser-Schmitz geführt, 21.02.2014.