Lebensschutz in Rheinland-Pfalz

Wahlprüfsteine 2013 - Antworten von Stefan Boxler

Herr Boxler kandidiert für Bündnis 90/Die Grünen im Wahlkreis 202 (Kreuznach). Nachfolgend sind seine Antworten auf die Wahlprüfsteine zum Lebensschutz für die Bundestagswahl 2013 wiedergegeben. Hierbei gab es die Möglichkeit, entweder eine Antwort aus den vorgegebenen Optionen zu wählen oder eine eigene Stellungnahme zu formulieren.

Beginn des menschlichen Lebens und Anerkennung der Menschenwürde

Die Menschwerdung beginnt mit der Empfängnis, aber Menschenwürde und die abgeleiteten Schutzrechte entstehen erst kontinuierlich während der Schwangerschaft. Daher hängt auch die Stärke der Schutzansprüche von Zeitpunkt und Entwicklungsstand des Menschen ab. Im Mittelpunkt unserer Politik steht der Mensch mit seiner Würde und seiner Freiheit. Die Unantastbarkeit der menschlichen Würde ist unser Ausgangspunkt. Frauen müssen über ihre Schwangerschaften frei und ohne Kriminalisierung entscheiden können. Das Recht auf Information und freiwillige Beratung muss allen offen stehen. Das reproduktive Selbstbestimmungsrecht der Frau umfasst das Recht, prädikative Gentests während oder vor der Schwangerschaft abzulehnen, und auch das Recht, sich für ein behindertes Kind zu entscheiden.

„Pille danach“

Die „Pille danach“ ist ein sinnvolles Mittel der Familienplanung und sollte daher rezeptfrei abgegeben werden. Selbstbestimmung umfasst auch den eigenen Körper. Frauen müsse über ihre Schwangerschaften frei entscheiden können. Die „Pille danach“ ist eine schonende Alternative zur Abtreibung. Sie muss deshalb rezeptfrei erhältlich sein. Auf die Nebenwirkungen und die Notwendigkeit von Kontrolluntersuchungen soll hingewiesen werden.

Momentane gesetzliche Regelung des Schwangerschaftsabbruchs

Die momentane Regelung des Schwangerschaftsabbruchs ist ein praktikabler Kompromiss der unterschiedlichen gesellschaftlichen Strömungen. Eine Änderung dieser Regelung steht momentan nicht auf der politischen Agenda. Selbstbestimmung umfasst auch den eigenen Körper. Frauen müssen über ihre Schwangerschaften frei und ohne Kriminalisierung entscheiden können. Das Recht auf Information und freiwillige Beratung muss allen offen stehen. Dazu gehören auch freiwillige Angebote rund um vorgeburtliche Untersuchungsmethoden.

Forschung mit embryonalen Stammzellen

Wir möchten uns in der kommenden Wahlperiode dafür einsetzen, das Potential induzierter pluripotenter Stammzellen (iPS) als mögliche Alternative zur Verwendung embryonaler Stammzellen stärker in den Fokus zu nehmen.

Reproduktives Klonen

Wir werden uns in der kommenden Wahlperiode für eine internationale Ächtung des reproduktiven Klonens einsetzen.

Umsetzung der Präimplantationsdiagnostik (PID)

Die Freigabe der PID ist nicht mehr zu ändern aber ihre Ausführungsbestimmungen müssen deutlich restriktiver gehandhabt werden, als dies momentan der Fall ist. Mit der Präimplantationsdiagnostik (PID) wird vor seiner Einsetzung in die Gebärmutter ein aus einer künstlichen Befruchtung hervorgegangener Embryo auf mögliche Erbkrankheiten untersucht. 2011 hat der Bundestag eine begrenzte Zulassung der PID beschlossen. Paare können eine PID durchführen lassen, wenn ein oder beide Elternteile die Veranlagung für eine schwerwiegende Erbkrankheit in sich tragen oder mit einer Tot- oder Fehlgeburt zu rechnen ist. Die Zulassung der PID war hoch umstritten. Die Diskussion verlief jenseits der Fraktionsgrenzen. Auch in der grünen Bundestagsfraktion waren die Positionen unterschiedlich. Eine Mehrheit unterstützte den Gesetzentwurf, der ein Verbot der PID vorsah. Andere Abgeordnete wollten die PID für die Paare zulassen, bei denen eine genetische Vorbelastung besteht, die mit einer hohen Wahrscheinlichkeit zu einer Tot- oder Fehlgeburt oder den sehr frühen Tod des Kindes innerhalb des ersten Lebensjahres führt. Der letztendlich verabschiedete Gesetzesentwurf erhielt aus der grünen Fraktion 27 Ja-Stimmen, 36 Nein-Stimmen und 2 Enthaltungen.

Praena-Bluttest bei Schwangeren auf Trisomie 21 (Down-Syndrom)

Der Praena-Test als nicht-invasives Verfahren hat den Vorteil, Risikoschwangeren im ersten Schritt eine Alternative zu den traditionellen invasiven Verfahren bieten zu können, welche im ungünstigsten Fall zur Schädigung des Fötus führen können. Allerdings muss dabei unbedingt die relativ hohe Wahrscheinlichkeit von falsch positiven Testergebnissen beachtet werden, also von Testergebnissen, die eine genetische Auffälligkeit vermuten lassen, wo tatsächlich gar keine vorliegt. Die Bestätigung jedes positiven Praena-Testergebnisses mit invasiven Verfahren ist deshalb unverzichtbar, bevor ein Schwangerschaftsabbruch erwogen wird. Allerdings ist der Praena-Test bereits im ersten Schwangerschaftsdrittel möglich, die invasiven Verfahren jedoch erst danach. Die Schwangere hat deshalb theoretisch die Möglichkeit, direkt nach dem Praena-Test einen Schwangerschaftsabbruch nach § 18a StGB (Beratungslösung) vornehmen zu lassen. Deshalb – und auch, weil es auch gute Gründe geben kann, die Schwangerschaft trotz Trisomie 21 nicht abzubrechen – hat die begleitende Beratung durch den Arzt/die Ärztin und externe Beratungseinrichtungen eine hohe Bedeutung.

Gesetzliche Regelung der Patientenverfügung (PV)

Die jetzige Regelung der PV hat sich bewährt. Es besteht also kein Handlungsbedarf für die Politik. Die gesetzlichen Regelungen zur Patientenverfügung von 2009 hatten das Ziel sicherzustellen, dass der das Betreuungsrecht prägende Grundsatz der Achtung des Selbstbestimmungsrechts entscheidungsunfähiger Menschen auch bei medizinischen Behandlungen beachtet wird. Nachdem es zuvor erhebliche Verunsicherung in diesem Bereich gab, hat das Gesetz die erforderliche Klarheit über Verbindlichkeit und Reichweite von Patientenverfügungen gebracht. Der BGH hat die Vorgaben des Betreuungsrechts 2010 auch für das Strafrecht übernommen und sie präzisiert, so dass insoweit auch für das Strafrecht Rechtssicherheit herrscht. Schließlich wurde in dem Patientenrechtegesetz von 2013 die verbindliche Geltung der Patientenverfügung nochmals bestätigt (§630 BGB). Änderungsbedarf besteht vor diesem Hintergrund derzeit nicht.

Beihilfe zum Suizid

Der so genannte assistierte Suizid wird derzeit intensiv diskutiert. Nach deutschem Recht darf der Einzelne seinem Leben ein Ende setzen. Juristisch konsequent gilt die Straffreiheit ebenfalls für die Hilfe zu einem freiverantwortlichen Suizid. Es gibt nun in jüngerer Zeit Bestrebungen, die gewerbsmäßige Förderung der Selbsttötung unter Strafe zu stellen. Auch dieses Thema muss differenziert betrachtet werden. Der von der Bundesregierung hierzu vorgelegte Vorschlag leistet das nicht ausreichend. Bei Bündnis 90/Die Grünen wird diskutiert, ob bestimmte Vorgehensweisen bei der Suizidhilfe strafwürdig sein können, beispielsweise die Verleitung von nur unzureichend informierten Menschen zur Selbsttötung. Wenn also Menschen, die über die Möglichkeit der Schmerzlinderung am Lebensende und über Angebote der Sterbebegleitung der Hospize nicht aufgeklärt sind, dazu gebracht werden, Suizid zu begehen, dann kann das Rechtsgut Leben derart verletzt sein, dass über einen strafrechtlichen Schutz dieser Menschen vor Einflussnahme von außen nachgedacht werden muss.

Aktive Sterbehilfe

Die steigende Zustimmung zur aktiven Sterbehilfe muss unserer Meinung nach im Zusammenhang mit der öffentlichen Diskussion über Missstände in unserem Gesundheits- und Pflegesystem gesehen werden. Auch die kaum entwickelte gesellschaftliche Auseinandersetzung mit den Themen Krankheit, Sterben und Tod im Sinne einer Kultur des Sterbens befördert die Furcht vor einem fremdbestimmten und unwürdigen Sterben. Bündnis 90/Die Grünen setzen sich für eine vorsorgende und vorausschauende Versorgungsstruktur ein, die sich an den individuellen Wünschen und Bedürfnissen, aber auch an den Wertvorstellungen der Patienten und ihrer Angehörigen orientiert. Unabhängig von Verbotsfragen ist für uns wichtig, dass noch mehr unternommen wird, den Menschen die Angst vor unerträglichen Schmerzen und vor einem qualvollen Tod zu nehmen. Dazu gehört, die Palliativmedizin und die Hospizbewegung weiter zu stärken und deren Angebote noch bekannter zu machen.

Organentnahme von toten Spendern

Die kürzlich beschlossene Erklärungslösung ist der richtige Weg, um die Organspendebereitschaft zu erhöhen und sollte beibehalten werden.

Gottesbezug im Grundgesetz und einer zukünftigen europäischen Verfassung

Ein Gottesbezug – auch im deutschen Grundgesetz – ist nicht mehr zeitgemäß. Er sollte gestrichen werden. In der EU-Grundrechtecharta heißt es: „In dem Bewusstsein ihres geistig-religiösen und sittlichen Erbes gründet sich die Union auf die unteilbaren und universellen Werte der Würde des Menschen, der Freiheit, der Gleichheit und der Solidarität. Sie beruht auf den Grundsätzen der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit. Sie stellt die Person in den Mittelpunkt ihres Handelns, indem sie die Unionsbürgerschaft und einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts begründet.“ Dies betrachten wir als großen Fortschritt und als gelungene Verständigung auf dem Weg zu einer vertieften Europäischen Union.